Aufbau einer slawischen Burganlage


Seitenansicht einer mittelslawischen Niederungsburg von ca. 50 m Durchmesser (spätes 9. bis mittleres 10. Jahrhundert), nach R. Krüger 2022


Heute wird die slawische Besiedlung in Deutschland in drei Abschnitte eingeteilt, die als "frühslawisch" (um 700 bis ca. 875), "mittelslawisch" (um ca. 875 bis 980) und als "spätslawisch" (um ca. 980 bis 1220) bezeichnet werden. Früher war die Bezeichnung: altslawisch, mittelslawisch und jungslawisch gebräuchlich. Ich verwende sowohl die alte als auch die neue Bezeichnung.

Rekonstruktion der ersten mittelslawischen Burg von Mittenwalde "Pennigsberg" in Brandenburg um 870, Zeichnung: Bernd Fischer. Oftmals lagen auch an der Wallinnenseite kleine wasserführende Gräben mit Brunnenanlagen. So hatte man bei einem feindlichen Brandanschlag auf den Burgwall schnell Löschwasser zur Verfügung. Diese Innengräben dienten auch zur Ableitung von Regenwasser.

Rekonstruktion der letzten Burgphase der mittelslawischen Burg von Mittenwalde "Pennigsberg" in Brandenburg um 930, Zeichnung: Bernd Fischer. Der in die Jahre gekommene Burgwall wurde im Laufe der Zeit mit inneren und äußeren Wallsektionen verstärkt und war im Endstadium etwa 9 m breit. Zudem besaß die letzte Burg eine äußere Lehmberme mit aufgestapelten Feldsteinen. Diese Konstruktion sollte vermutlich gegen Rammwerkzeuge und feindlichen Brandanschlägen schützen.

Als die ersten Slawen um das Jahr 700 in unsere Gebiete einwanderten, entstanden schnell dörfliche Ansiedlungen. Nachdem eine gewisse Infrastruktur entstanden war, begann man mit der Errichtung von großräumigen Burganlagen in natürlich geschützten Niederungsgebieten oder auf schwer erreichbaren Höhenlagen, die ständig besiedelt, zeitweise bewohnt oder nur in Kriegszeiten und zu besonderen Anlässen aufgesucht wurden. Ursachen des frühslawischen Burgenbaus dürften die aufkommenden Wikingereinfälle ab 790 und Auseinandersetzungen mit dem Frankenreich unter "Karl dem Großen" gewesen zu sein. Aber auch Streitigkeiten unter den Slawenstämmen selbst führten zu der Errichtung von befestigten Burgen. Die Slawen bevorzugten für ihre Burgen und Siedlungen fast ausnahmslos die unmittelbare Nähe zu Gewässern (Flüsse, Sümpfe, Seen, Inseln, Halbinseln, Talsandinseln in überfluteten Niederungen usw.) Der bisher früheste archäologisch fassbare Burgenbau datiert um die Mitte des 8. Jahrhunderts (Burgwall Sukow in Mecklenburg-Vorpommern). 

Rekonstruktion des Vorburgwalles der frühslawischen Höhenburg von Feldberg "Schlossberg" in Mecklenburg-Vorpommern (9. Jahrhundert) nach Joachim Herrmann. Vor dem Wall wurde eine Lehmberme mit aufgestapelten Findlingen errichtet. Die erstmals hier angetroffene Keramik wird bis heute als "Feldberger Typ" bezeichnet. 

Hier und da besiedelten die Slawen auch verlassene ältere bronzezeitliche/eisenzeitliche Wallanlagen neu. Vielleicht nahmen die Slawen solche älteren Wallanlagen als Vorbild für ihre Burganlagen? Slawische Festungen wurden nur aus Holz, Erde, Lehm und Feldsteinen errichtet und hatten meist ovale bis kreisrunde Grundrisse. Seltener waren fast viereckige Burgformen. Sollte ein natürlicher Bergsporn als Höhenburg ausgebaut werden, wurden meist nur die Zugangsseiten mit bogenförmigen Erdwällen gesichert (z.B. Burgwall Quadenschönfeld in Mecklenburg; Burgwall Reitwein in Brandenburg). 

Mittelslawischer Ringwall im Sumpf, nach R. Krüger

Die auf natürliche Weise gesicherten Seiten einer solchen Höhenburg waren nur mit einfachen Holzpalisaden oder locker verfüllten Wallkonstruktionen befestigt. Aus einer Überlieferung aus der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts ist überliefert, wie die Slawen beim Bau einer mittelslawischen Niederungsburg vorgingen. Sie suchten sich einen strategisch günstig liegenden Ort in einer Niederung aus und steckten dort einen Platz vom beabsichtigten Umfang der Burg ab. Anschließend bauten sie aus Holz Rost- oder Kastensysteme, die sie nebeneinander und übereinander verbanden.

 

Seitenansicht einer typischen mittelslawischen Niederungsburg von etwa 50 m Durchmesser, nach Ronny Krüger 2016

In diese leeren Holzkästen fügten sie Erde, Lehm, Feldsteine und Holz ein, sowie den sonstigen Siedlungsabfall. Die Wälle von slawischen Burgen erreichten Höhen von etwa 4 bis 16 Metern und waren im Endstadium 10 bis 20 m breit. Auf der oberen Wallkrone errichteten sie zusätzlich noch hölzerne Palisadenwände oder auch überdachte Wehrgänge. An den Stellen, wo sie Tore in die Anlagen einfügen wollten, unterbrach man das Wallsystem und errichtete hier hohe Tortürme oder schmale Tunneltore durch den Wall. 

Typischer Wallaufbau einer mittelslawischen Burg des 9./10. Jahrhunderts; nach Ronny Krüger, 2014

Die Erde, die man in die hölzernen Kastensysteme einfügte, grub man oft direkt vor der Wallanlage aus, so dass hier ein künstlicher Graben entstand, der die ganze Anlage umgab. Oftmals füllten sich diese flachen Gräben nach der Errichtung mit Wasser, da die meisten Burgen dieser Zeit in feuchten Niederungsgebieten, oder in der Nähe von Gewässern angelegt wurden. Diese breiten Gräben verhinderten, dass ein Feind direkt an den Burgwall gelangen konnte. 

Wallschnitt und Rekonstruktion des kleinen mittelslawischen Burgwalls von Repten (9./10. Jahrhundert) in Brandenburg, nach Denny Neumann

Wahrscheinlich befestigte man diese Gräben mit Flechtwerkzäunen oder Holzplanken, um ein Abrutschen zu vermeiden. Über die breiten Burggräben führten kurze hölzerne Brücken oder Erddämme zu den Eingangstoren. Weiterhin kann man eine bermenartige Lehmschutzschicht, aufgestapelte Feldsteine oder andere bauliche Maßnahmen zum Schutz vor brennenden Pfeilen usw. an der äußeren Burgwallfront vermuten.

Spätslawische Inselburg Behren-Lübchin in Mecklenburg-Vorpommern (zweite Burgphase im 11./12. Jahrhundert); gezeichnet von Thomas Schmidt aus Neubrandenburg 2013, nach einer Idee/Vorlage von Ronny Krüger


Burgwallinsel Teterow in Mecklenburg-Vorpommern im 10. Jahrhundert

Direkt am Innenwall angelehnt lagen die Wohnbauten der Burgbewohner. Diese waren meist als Blockhütten oder als eingetiefte Grubenhäuser ausgeführt. Falls der Feind Geschosse in die Anlage schleuderte, wurden die meist leeren Burginnenflächen getroffen und konnten so weniger Schaden anrichten. Weiterhin ist auffällig, dass die frühslawischen Großraumburgen des 8./9. Jahrhunderts in Ostmecklenburg und Nordbrandenburg meist mehrgliedrig waren. Diese heute als "Feldberger Burgen" bezeichneten Anlagen bestanden aus einer, zwei oder drei befestigten Vorburgen, sowie einer kleineren Hauptburg. Diese kleineren Hauptburgen wurden vermutlich erst im Verlauf des späten 8. bis frühen 9. Jahrhunderts in die vorhandenen Anlagen integriert. Der Grund dafür war sicherlich die Herausbildung eines slawischen Burgadels, der eine kleinere eigene Anlage als Herrschaftssitz bevorzugte. 

Der kleine mittelslawische Ringwall von Sypniewo in Polen von Westen gesehen (10./11. Jahrhundert); Entwurf: Dr. Felix Biermann, Zeichnung: B. Fischer 2006. Buch: Felix Biermann: "Sypniewo - Ein frühmittelalterlicher Burg - Siedlungskomplex in Nordmasowien", 2006, Seite: 175.

In den befestigten Vorburgen waren vor allem Handwerker, Händler und Schutztruppen ansässig, die dem jeweiligen Burgherren in der Hauptburg unterstanden. Der restliche Platz in den Vorburgen blieb für die in der näheren Umgebung wohnenden Bevölkerung samt Nutzvieh übrig, die sich hier im Fall einer Belagerung zurückziehen konnte. In den großräumigen Vorburgen gab es zudem Werkstätten, Vorratshäuser, sowie mehrere Brunnen. So konnte man im Belagerungsfall eine gewisse Zeit vor dem Feind ausharren. Diese frühslawischen Großraumburgen wurden fast alle von der zweiten Hälfte des 9. bis frühen 10. Jahrhunderts aufgegeben. Die Ursachen dafür liegen sicher mit der Unterwerfung der wilzischen Stämme seit dem Jahr 789 unter "Karl dem Großen" zusammen. Die jeweiligen slawischen Burgherren verloren durch die fränkische Unterwerfung im Laufe der Zeit ihre politische Macht und konnten oder durften ihre großen Burgen nicht mehr halten. 

Der kleine mittelslawische Burgwall von Köben (Chobienia, Niederschlesien, Polen) am Hochuferrand der Oder im späten 9. Jh. Entwurf Dr. Felix Biermann, Zeichnung Ottilie Blum. Aus: Felix Biermann, Andreas Kieseler, Dominik Nowakowski, Mittelalterliche Herrschafts- und Siedlungsstrukturen in Niederschlesien am Beispiel von Köben an der Oder. Prähistorische Zeitschrift 86, 2011, S. 100-132, hier S. 122 Abb. 25.

Ab dem letzten Drittel des 9. Jahrhunderts (um 875) entstanden nun kleinere, meist kreisrunde bis ovalförmige Ringwälle mit Durchmessern von 40 bis 90 Meter. Auch diese wurden wieder aus hölzernen Rost- oder Kastenkonstruktionen errichtet, die anschließend mit Erde verfüllt wurden. Allerdings waren diese meist wehrhafter ausgebaut und hatten im Endstadium sicher Wallhöhen von 7 bis 10 Meter (z. B. Burgwall Groß Raden in Mecklenburg-Vorpommern; Burgwall Raddusch in Brandenburg).

Fiktive mittelslawische Burgsiedlung, nach R. Krüger 2022



Idealbild einer mittelslawischen Niederungsburg von etwa 60 m Außendurchmesser, nach einer Vorlage von Ottilie Blum (Burgwall); bearbeitet/gezeichnet von Ronny Krüger 2022

Die mittelslawischen "Kleinburgen" lagen fast alle auf Talsandinseln in unzugänglichen Niederungen und verfügten im nahen Vorfeld über leicht befestigte Vorburgsiedlungen. Im heutigen Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen gab es auch mittelslawische Kleinburgen, die in Höhenlage am Rand von Niederungen und Gewässern errichtet wurden (z.B. Burgwall Bülow am Malchiner See, Burgwall Rothenmoor, Burgwall Ganschendorf "Wendenwall", Burgwall Dargun "Tiergarten", Burgwall Pantlitz usw.) In den oftmals nur mit flachen Gräben, hölzernen Palisaden oder flachen Wällen gesicherten Vorburgen lebten vor allem die Handwerker, die die Burgleute mit Alltagsgegenständen versorgten. Getreide und Schlachtvieh wurde von naheliegenden Siedlungen geliefert. Heute interpretiert man diese "Kleinburgen" als Herrschaftssitze von slawischen Lokalherrschern, die nur über wenig Macht verfügten.

  

Einfacher Rekonstruktionsversuch der spätslawischen Inselburg von Behren-Lübchin in Mecklenburg-Vorpommern (11./12. Jahrhundert); gezeichnet von Doreen Ksiensik, nach einer Idee von Ronny Krüger 2004

In der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts wurden viele mittelslawische "Kleinburgen" zerstört. Der deutsche König Heinrich I. und sein Nachfolger Otto I. unterwarfen ab dem Jahr 929 in mehreren Kriegszügen viele Slawenstämme östlich der Elbe. Ab dem erfolgreichen Slawenaufstand von 983 entstanden wieder größere Anlagen bei den Slawen, die nun vermehrt auf Inseln, an Flussläufen oder auf Halbinseln lagen. Zu den großen Inselburgen führten hölzerne Brücken, die oft mehrere hundert Meter lang waren (z.B. Burgwallinsel Teterow, Burgwallinsel Mölln; beide in Mecklenburg-Vorpommern). Die längste, bisher nachgewiesene Brücke führte von der spätslawischen Burgwallinsel Fergitz in Brandenburg quer durch den Oberuckersee und hatte eine Länge von 2200 Metern! Eine weitere 400 m lange Brücke führte über eine Wassertiefe von ca. 17 m an die Insel heran. Bis heute stellen diese beiden Brücken eine Meisterleistung im slawischen Brückenbau dar!

Die erste Phase der Burgwallinsel Behren-Lübchin um 1000 in Mecklenburg-Vorpommern, nach Ewald Schuldt 1965 (coloriert und bearbeitet von R. Krüger 2021)

Fiktive mittelslawische Inselburg des 10. Jahrhunderts mit Zugangsbrücke, nach R. Krüger 2021

Es gab auch diverse Tempelburgen bei den Slawen. Nach einer Überlieferung hatte jeder slawische Stamm eine Stammesburg, in der ein Hauptheiligtum verehrt wurde. Die bekanntesten Tempelburgen waren die Burg am Kap Arkona auf Rügen, die Burg Mecklenburg bei Wismar in Mecklenburg-Vorpommern, die Burg Starigard im heutigen Oldenburg in Schleswig-Holstein, sowie die Burg "Rethra" (Riedegost), die bis heute nicht eindeutig lokalisiert werden konnte. Der mittel- bis spätslawische Kultort "Rethra" lag entweder im Bereich des südlichen Tollensesees bei Neubrandenburg (Fischerinsel Wustrow), oder auf der Insel "Schulzenwerder" im Jäthensee südlich von Babke, oder nach meiner Meinung auf dem "Seeberg" bei Mölln nahe Neubrandenburgs (alle in Mecklenburg-Vorpommern).

Erstürmung einer Slawenburg durch die Ostfranken im 10. Jahrhundert; Foto: Tomáš Humaj, Slowakei 2014

Dies sind nur einige wenige Beispiele für Burgen mit Heiligtümern. Man kann also bis hierhin festhalten, dass sich der Bau der Burgen in der früh-, mittel- und spätslawischen Zeit bis auf den Umfang kaum verändert hat. Die Slawen haben auf heute deutschem Gebiet nie Burgen aus Stein gebaut.

Moderner Zugang im Vorburgwall der frühslawischen Höhenburg von Quadenschönfeld in Mecklenburg-Vorpommern, April 2015

In der Gegenwart erkennt man ihre Burgen meist nur noch an unscheinbaren, oft mit Bäumen bestandenen Erdwällen unterschiedlicher Höhen. Oft wurden sie stark von der Landwirtschaft in Mitleidenschaft gezogen oder völlig abgetragen und sind nur noch mittels alten Landkarten, modernen Luftaufnahmen, oder von Fachleuten im Gelände als flache Hügel erkennbar. 

Vergleich einer heutigen Burgwallruine mit der ehemaligen Wallkonstruktion, nach R. Krüger 2022

In ganz Deutschland soll es um die 700 Slawenburgen gegeben haben. Da ich auch vermutete und abgetragene Burgen aufführe, komme ich auf etwa 800 Slawenburgen auf heute deutschem Gebiet.

Rekonstruktionsversuch der zweigliedrigen Niederungsburg von Mittenwalde "Pennigsberg" in Brandenburg, nach B. Fischer


Slawen beim Aufbau der Inselburg Behren-Lübchin in Mecklenburg-Vorpommern, um 1000

Einfacher Rekonstruktionsversuch einer mittelslawischen Sumpfburg, nach R. Krüger 2023


Burgwall Oldenburg in Holstein (Starigard) im 10. Jahrhundert, nach Joachim Hermann 1985


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